Von Erfurt über Jena bis Gera – überall in Thüringen finden dieser Tage Veranstaltungen statt, die sich um ein wichtiges Thema drehen: den internationalen Frauentag auch feministischer Kampftag genannt. Ziel ist es, für Gleichberechtigung zu Kämpfen und gegen Ungerechtigkeit aufzubegehren. Natürlich steht das Sensibilisieren für Themen wie Feminismus, Gender-Pay-Gap und viele weitere Themen im Fokus. Wir haben deshalb mit Friederike Theile über die Themen dieser Zeit gesprochen. Denn wer kann wohl besser Auskunft geben, als die Geschäftsführerin des Landesfrauenrates Thüringen, der sich seit 1993 für eine geschlechtergerechte Gesellschaft einsetzt.
Am 8. März ist Weltfrauenkampftag. Warum steckt das Wort „Kampf“ im Wort?
Der Internationalen Frauentag existiert seit 1911 und er wurde in den unterschiedlichen Staatsformen hierzulande auf sehr unterschiedliche Art und Weise begangen und gefeiert. Der Begriff „Kampf“ wird genutzt, um deutlich zu machen, dass es ein politischer Tag ist, viele Anliegen noch nicht erreicht sind und man politische Ziele nicht geschenkt kriegt, sondern auch erkämpfen muss.
Warum ist es wichtig, dass es diesen Tag gibt?
Am 8. März fordern Frauen und queere Personen auf der ganzen Welt ihre Rechte ein. Es ist wichtig, sich zu solidarisieren, zu zeigen und zu merken: Wir sind viele und wir sind stark. Als Landesfrauenrat Thüringen freuen wir uns natürlich, weil es Aufmerksamkeit auf die Anliegen rund um Feminismus und Gleichstellung lenkt und es da viele Baustellen gibt, an denen wir aktuell arbeiten: verbesserte Strukturen für Opfer von häuslicher Gewalt und sexualisierter Gewalt, Frauen in der Politik oder die Teilhabe migrantischer Frauen. Es ist gut, wenn diese Themen heute im Fokus stehen.
Habt ihr für den Tag Aktionen geplant?
Eine große eigene Aktion planen wir nicht, da es genügend andere spannende Veranstaltungen, Feierlichkeiten und Kundgebungen gibt und wir unseren Mitgliedsorganisationen keine Konkurrenz machen wollen. Meist sind wir als Besucher:innen unterwegs, bilden uns weiter und vernetzen uns. In diesem Jahr wird unsere Vorsitzende, Julia Hohmann, bei der Demonstration des feministischen Kampftagsbündnisses in Erfurt zu Sexismus sprechen.
Oft hört man zum Beispiel in den sozialen Medien das Wort „Feminismus“. Teilweise wird er sogar abwertend gelesen. Was steckt eurer Meinung nach hinter diesem Begriff? Ist es wirklich nur „Frauensache“?
Feminismus ist für mich grundsätzlich der Einsatz für die Rechte und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen. Aber es geht auch um eine Überwindung von Stereotypen und Rollenzwängen, etwas das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, aber von der auch alle Personen unabhängig ihres Geschlechts profitieren können. So sagen zum Beispiel auch viele Väter, sie würden gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, aber auch sie stecken in einem System fest, dass dies für sie schwer macht. In diesem Sinne sehe ich persönlich Feminismus als eine große Bewegung für die Freiheit aller Menschen. Abwertend lese ich den Begriff nicht und Ablehnung des Begriffs erlebe ich selten. Aber Feminismus ist natürlich ein großes Sammelbecken und dass man mit einzelnen feministischen Akteur:innen Probleme hat und ihre auch Mal radikalen Forderungen oder provokanten Aktionen nicht nachvollziehen kann, das gibt es bei jeder gesellschaftlichen Bewegung. Wir als Feminist:innen sind dabei diese Welt zu ändern und es gibt immer Personen, die sich gegen Veränderungen stellen.
Den Landesfrauenrat gibt es seit 1993 – also bereits 31 Jahre. Wie kam es zur Gründung des Vereins und warum braucht es euch?
Nach der Wende haben sich verschiedene Frauenorganisationen in Thüringen zusammengetan, weil sie merkten: Es braucht eine Vertretung auf Landesebene, die sich für unsere Themen einsetzt. Frauen sind in öffentlichen Diskursen oft nicht so stark vertreten und damit auch ihre Interessen nicht – insofern braucht es uns, als Stimme, die diese Anliegen deutlich macht. Wir vernetzen, wir führen Gespräche, wir probieren zu überzeugen. Dabei versuchen wir konstruktiv Debatten und Prozesse voranzubringen. Aber wir haben auch keine Angst unbequem zu sein und schauen Politik und Verwaltung auf die Finger. Als unabhängiger Verein können wir kritisch und frei agieren.
Im Landesfrauenrat Thüringen (LFR) sind aktuell 29 Verbände und Gruppierungen organisiert. Was bedeutet eine Mitgliedschaft bei euch?
Eine Mitgliedschaft bei uns bedeutet, dass die Organisationen sich und ihre Themen bei uns einbringen können. Wir vernetzen unsere Mitgliedsorganisationen untereinander und organisieren Veranstaltungen mit und für sie. Unsere Mitgliedsorganisationen werden angefragt, wenn wir Stellung nehmen zu Gesetzesentwürfen des Thüringer Landtags, bei Positionspapieren oder bei Presseanfragen. Die Geschäftsstelle und der ehrenamtliche Vorstand arbeiten mit und für unsere Mitgliedsorganisationen. Einzelpersonen können als Fördermitglieder bei uns Mitglied werden und so in Austausch mit uns treten. Gemeinsam bohren wir die dicken Bretter für die Gleichstellung.
Die Themen für die ihr euch als Verband einsetzt, sind vielfältig: beispielsweise Frauen in der Politik, Gewalt an Frauen, Antidiskriminierung, geschlechtsspezifische Gesundheitsversorgung und die Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Situation von Prostituierten. Nach welchen Kriterien, werden die Themen ausgewählt?
Zum einen haben wir jährliche Mitgliederversammlungen, bei denen wir Beschlüsse fassen, das sind dann konkrete Aufträge, die uns unsere Mitgliedsverbände geben. Andererseits werden auch Themen von außen, aus der Politik oder von möglichen Kooperationspartner:innen an uns herangetragen oder sind tagesaktuell. So begleiten wir kritisch den Umgang der Stadt Erfurt mit den mutmaßlichen Vorfällen am Theater, inklusive der fristlosen Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann. Manchmal sind es aber auch internationale Entwicklungen, wie die Verabschiedung der Istanbul-Konvention, eines Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, dass seit 2018 in Deutschland gilt. Diese Konvention hat das Thema Gewaltschutz angeschoben und wie viele Frauenverbände europaweit setzen wir uns hier in Thüringen für die Umsetzung ein.
Was meint ihr, wie lange es dauern wird, bis Frauen wirklich gleichberechtigt sind?
Ich glaube, da ist die Frage, wie man „wirkliche Gleichberechtigung“ definiert (lacht). Der Global-Gender-Gap-Bericht des Weltwirtschaftsforums sieht das weltweit erst 2154 passieren. Das kann natürlich frustrieren und auch in unserer Arbeit denken wir oft: Es bewegt sich sehr langsam. Weltweit sehen wir auch Rückschritte, wenn man beispielsweise an die Situation der Frauen in Afghanistan denkt. Aber wenn man sich die großen Linien anschaut, bleibt die Erkenntnis: Es geht voran. Die Gleichstellung von Frauen ist eine Entwicklung, die nicht zu stoppen ist. Wir diskutieren in Europa zum Beispiel nicht mehr über das Wahlrecht für Frauen oder ob Frauen wieder ihre Ehemänner fragen sollten, damit sie einer Arbeit nachgehen dürfen. Und auch wenn es noch eine Weile dauert und es sicher noch einige Frauenkampftage benötigt: Die Gleichstellung der Geschlechter ist nicht aufzuhalten.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Mehr Solidarität unter Feminist:innen, ob alt oder jung, queer, männlich oder frauenbewegt: Ich wünsche mir, dass wir uns gemeinsam für Gleichstellung einsetzen, in Thüringen und zum Internationalen Frauentag natürlich weltweit. Und ich wünsche mir, dass wir die Erfolge, die es in den letzten 113 Jahren seit Einführung des ersten Frauentages gegeben hat, zum 8. März auch mal feiern.